Ausgabe vom 02.09.2022 Seite 90

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Ein früher Wirtschaftsflüchtling? Vor einigen Jahren, als noch nicht der Ukraine-Krieg oder die Corona-Pandemie die Schlagzeilen bestimmten, entzündete sich an den hohen Flüchtlingszahlen in Deutschland eine erregte Debatte. Kommen da Menschen in Not zu uns oder doch nur ?Wirtschaftsflüchtlinge?? Vielleicht hilft bei der Klärung dieser Frage auch heute noch ein Blick zurück in unsere Vergangenheit. In diesem speziellen Fall auf Edmund Kohl. Er lebte von 1894 bis 1960 und war ein Onkel meines Vaters, also mein Großonkel. Und er verließ seine Heimat Deutschland, verließ Emsdetten, seinen Heimatort, an dem er doch so sehr hing.Eine Art von Wirtschaftsflüchtling in einer Zeit, als es den Begriff noch gar nicht gab. Damals hießen Flüchtlinge noch Auswanderer. Sie kamen nicht aus Syrien, Libyen, Albanien oder Afghanistan, sondern aus Deutschland. Sogar aus Emsdetten. Ihr Ziel war das Sehnsuchtsland des 19. und frühen 20. Jahrhundert: die USA. Auch für Edmund Kohl muss das so gewesen sein. Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg, nach dem ?Diktat von Versailles?, wie die Deutschen den Friedensschluss der siegreichen Westmächte mit ihnen nannten, sahen junge Menschen wie er keine Zukunft im Deutschen Reich. Immense Reparationsforderungen strangulierten das Land, ...